15 Sep
Erfahrungsbericht von Christoph S.

Riga Stradins University


Land: Lettland
Kontinent: Europa
Studienrichtung: Humanmedizin
Studientyp: Sonstige Studiengänge
Zeitraum: 02/2013 bis 11/2018

Hochschule:
Studieninhalte:
Studienbedingungen:
Freizeit:
Spaß:
Kosten:
Gesamtbewertung:

Wenn es etwas gibt, was mir das Studium hier nach fünf Semestern beigebracht hat, ist es, strukturiert mit Informationen umzugehen. Noch steht ein Schild mit „Work in progress“ an meiner Stirn, aber ich werde versuchen, mich kurzfassend, all das zusammenzufassen, was ich als Neuankömmling in Riga hätte wissen wollen. Hier ist meine Top 5 Riga Liste.

1. Die Uni

Die Riga Stradins University (kurz RSU) ist eine Universität im Wandel! Viel wird in neue Strukturen und Geräte investiert. Gleichzeitig sorgen historische Gebäude, wie das Anatomische Theater, für ein besonderes Flair und haben neue anatomische Modelle, sowie antike Knochen und Proben zum Lernen. Als Vorklinikstudent habe ich damals die zukünftigen Mediziner etwas beneidet, weil sie bestimmt modernere Klassenräume bekommen werden, Semester um Semester.

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2. Das Studium

Die Struktur des Studiums ist etwas Besonders: In jedem Fach werden im Laufe des Semesters zwei bis drei Colloquia geschrieben (ja, schriftlich, das Wort mag täuschen). Diese sind wichtige Etappen, die in chronologischer Reihenfolge bestanden werden müssen, um zum Examen zugelassen zu werden. In manchen Fächern gibt es auch wöchentliche Tests, z.B. in Mikrobiologie, die auch alle bestanden werden müssen, um Colloquia schreiben zu dürfen. Was ich gut an diesem System finde ist, dass man dazu gezwungen wird, dauerhaft zu lernen. Dies mag ein bisschen verschult wirken, aber es bereitet einen gut für die Examen vor. Was wiederum alles „spannender“ macht ist, dass man pro Colloqium drei Versuche hat und wenn man sie nicht besteht, ist das Fach nicht bestanden. Die RSU ist sehr streng: Ein nicht bestandenes Fach heißt, dass man das Semester wiederholen muss. Dabei muss man natürlich nur die Fächer nachholen, die man nicht bestanden hat, was dazu führen kann, dass man ein Semester lang nur ein einziges Fach nacharbeiten muss und keinen Zugang zu Fächer des folgenden Semesters hat.

Im Laufe meiner Vorklinik fand ich Fächer wie Anatomie, Histologie, Genetik, Physiologie und Mikrobiologie gut gegliedert mit einer guten Anzahl an praktischen Experimenten. Was ich wiederum zu bemängeln habe, waren die naturwissenschaftlichen Fächer Physik, Chemie und Biochemie. Darin mangelt es nicht an Experimenten, die wöchentlich durchgeführt werden, aber das Wissen war meiner Meinung nach etwas zu oberflächlich, wie mir jetzt in Pharmakologie aufgefallen ist. Natürlich kann man trotzdem vieles gut verstehen und aktuelle Vorkliniker meinen, dass die Fächer jetzt strenger seien. Dies bringt aber einen wichtigen Punkt zum Vorschein, nämlich die Evolution des Studiengangs selbst. Studentenvorsprecher und Dozenten arbeiten oft zusammen und empfangen oft Vorschläge und Verbesserungen. Vieles habe ich auch selber miterlebt, z.B. das „Autoexamen“, d.h. wenn man in allen Colloquia eines Faches einen sehr guten Schnitt hatte, musste man entweder keine Abschlussprüfung schreiben oder nur eine mündliche ablegen (berühmt und befürchtet ist die sogenannte Histo-Olympiade!). Das Autoexamen ist aber nicht für jedes Fach gültig und wurde in manchen auch wieder abgeschafft. Das Physikum gibt es als solches nicht, sondern es besteht aus den einzelnen Prüfungen.

Der letzte Punkt zum Studium, der oft die meisten Pros und Contras an der Universität ausmacht, sind die Dozenten. Wie überall gibt es gute und schlechte Dozenten, manche haben meine Fächer sehr interessant gestaltet, andere waren furchtbar, insgesamt würde ich aber behaupten, 2/3 waren eher positiv. Was die Sprachkenntnisse angeht, muss ich leider sagen, dass die RSU noch nicht in der Lage ist, nur Dozenten mit sehr gutem Englisch anzubieten. Dies ist manchmal ein Problem für Verständnisfragen auch bei gut ausgebildeten Lehrern. Was wiederum gut ist, ist, dass der Unterricht in kleinen Klassen mit einem Dutzend Studenten gegliedert ist und deshalb immer Platz für Fragen und Verständigungen ist. Die Uni wiederum bietet seit einem Jahr Englischkurse für Dozenten mit Sprachdefiziten an.


3. Klinik

Obwohl die Mehrzahl der deutschen Medizinstudenten an der RSU nach dem Physikum zurückkehren will, bleiben viele in Lettland, da sie keinen Platz bekommen. Dennoch bin ich vom fünften Semester in Riga sehr positiv überrascht! Viel Praxis, Patientenkontakt und Beteiligung an OPs die mir eine bessere Vorstellung und Einblick in verschiedene Fachrichtungen gegeben haben. Natürlich gilt noch die Lehrerregel vom Vorklinikum, aber meine Studiengruppe war meistens zufrieden. Die Gruppen werden zum Teil auch kleiner, was wiederum eine bessere Dozenten-Schüler-Beziehung erlaubt. Hier wird aber auch der Punkt Sprache wichtig, den ich jetzt besprechen werde.


4. Sprachen und Kulturen

Der Plural ist bewusst angewendet. Obwohl sehr viele Mediziner in Riga deutscher Herkunft sind, ist der Studiengang sehr vielfältig. Dieser Aspekt wird von der Uni und der Internationalen Studentengemeinschaft sehr gelobt und mit Events und Treffen unterstützt. Diese weltoffene Umgebung gefällt mir sehr und gibt viele Stimuli für extra-curriculare Aktivitäten. Aber auch Riga ist Multikulti: Auf den Straßen hört man beides, Lettisch und Russisch, und viele sind zweisprachig aufgewachsen, auch wenn Russisch keine offizielle Zweitsprache ist. Natürlich reden Patienten (hauptsächlich ältere Menschen) kein oder wenig Englisch und zum Teil nur Russisch. Dies ist ein Hindernis für gute Kommunikation und Pflege-Management. Die RSU bietet einen Lettisch-Kurs bis zum dritten Semester an, aber nur die Wenigsten haben davon profitiert, meistens weil man in der Vorklinik den wissenschaftlichen Fächern den Vorrang gibt. In meinem Fall gebe ich zu, dass auch ein bisschen Faulheit beteiligt war; deshalb besuche ich seit einem Semester einen extra Sprachkurs. Viele Freunde machen dasselbe mit Lettisch oder Russisch. Natürlich helfen die Lehrer mit bei der Kommunikation und im Alltagsleben kommt man gut mit Englisch durch, aber es ist schöner in einem Land zu leben, in dem man sich nicht als „Tourist“ fühlt. Deshalb kann ich nur empfehlen, sich die Zeit für diese Fremdsprache zu nehmen, die einem neue Einblicke in die Kultur und Traditionen der Letten schenkt, welche auf einen ersten Blick kalt und verschlossen wirken können.


5. Riga

Es wäre unmöglich, das Medizinstudium an der RSU zu beschreiben, ohne Riga einzubeziehen! Seit Europakulturstadt in 2014 und EU-Vorsitz in 2015 wird Riga als Reiseziel immer mehr beliebt und das zu Recht! Das Studentenleben ist sehr angenehm und, wie schon gesagt, interkulturell! Als Großstadtkind dachte ich, ich würde mich nach kurzer Zeit langweilen und doch liebe ich jetzt die Spontaneität, mit der man alles machen kann, da die meisten Ziele gut und schnell mit Bus, Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen sind. Der Sommer bringt die Liebe der Letten für Farben und Blumen zum Vorschein und das Klima ist ideal, um draußen in einem Kaffee zu sitzen und beim Lernen Vitamin D zu tanken! Jurmala, Rigas Strand am Baltischen Meer, ist nur dreißig Minuten entfernt, perfekt auch nur für einen halben Tag Relaxen. Der lange und kalte Winter ist natürlich abschreckend, aber hat seinen Charme, wenn alles mit einem weißen Mantel bedeckt ist. Dazu leuchten die Letten mit verschiedenen Straßenfesten die Stadt auf.

Dies in „wenigen Worten“ ist mein Eindruck vom Studium in Riga, eine Entscheidung, die ich nicht bereue und locker wieder treffen würde, obwohl ich am Anfang skeptisch war! Natürlich gibt es vieles was ich verbessern würde, aber das gehört ja zu jedem Leben und zum Studiengang.